Amnesia by Elise Title

Amnesia by Elise Title

Autor:Elise Title [Title, Elise]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-02-20T16:00:00+00:00


»Sie ist meine Frau.« Michael Simmons sitzt zusammengesunken auf einem meiner Bürostühle, und jede Kampfeslust ist aus ihm gewichen. Er ist ein stämmiger, muskulöser Afroamerikaner von Anfang dreißig und verbüßt eine Haftstrafe wegen bewaffneten Raubüberfalls. Vor vier Monaten wurde er ins Horizon House überstellt. Sein Entlassungstermin ist in knapp zwei Monaten.

Das heißt, war, bis zu der Schlägerei – ein ernsthafter Verstoß gegen die Regeln. Ein Häftling im Entlassungsvorbereitungszentrum, der in eine handgreifliche Auseinandersetzung gerät, wird wieder in ein geschlossenes Gefängnis überstellt. Die Haftzeit, die ihm auf Bewährung erlassen wurde, muss er höchstwahrscheinlich dann doch noch absitzen und er muss sogar mit einer erneuten Anklage rechnen. Eine ernste Situation. Und jetzt, da Simmons sich wieder beruhigt hat, wird ihm klar, was er angerichtet hat.

»Und wer ist der Mann, mit dem Sie sich geprügelt haben?«, frage ich.

Simmons starrt bedrückt zu Boden. Hutch, der an meinem Bücherschrank lehnt, verdreht die Augen. »Ein Exhäftling, nicht?«, rät er.

Simmons’ Schultern heben und senken sich. Antwort genug.

Wir wissen alle, dass das die Lage noch verschlimmert. Eine der wichtigsten Vorschriften im Horizon House lautet, dass jeder Kontakt mit ehemaligen Häftlingen zu unterlassen ist, ganz gleich, ob es sich um freundliche Begegnungen handelt oder um Auseinandersetzungen.

»Mann, ich hab nicht angefangen, ich schwör’s«, sagt Simmons flehentlich. »Driscoll ist in der Fabrik aufgetaucht. Der Wichser …«

»He«, sagt Hutch scharf.

Simmons ist sofort zerknirscht. »Tut mir Leid. Ich bin noch so … wütend. Jedenfalls, Driscoll hat auf mich gewartet, als meine Schicht zu Ende war. Ist mir mit dem Schwachsinn gekommen, dass Cindy sich scheiden lassen will, damit sie beide zusammenziehen können, aber ein schlechtes Gewissen hat, weil ich noch … na ja … im Bau bin, und dass sie fair sein will und Angst hat, ich drehe durch, wenn sie sagt, sie will sich von mir trennen. Dann wäre es ihre Schuld, wenn ich Ärger kriege und nicht entlassen werde –« Er hält abrupt inne. Ich kann förmlich sehen, wie ihm plötzlich ein Licht aufgeht. »Dieser Wichser.« Diesmal keine Entschuldigung. »Der hat mich reingelegt. Das war Absicht, damit ich wieder in den Knast wandere. Damit Cindy sieht, was ich für ein Versager bin, und sie meinetwegen kein schlechtes Gewissen haben muss. Und das hat sie jetzt bestimmt nicht mehr, weil ich ihr nämlich hoch und heilig versprechen musste, dass ich mich ab jetzt ordentlich benehme und so. Ach, verdammt. So eine Scheiße.« Er vergräbt das Gesicht in den Händen.

»Hören Sie, Mike«, sage ich mitfühlend, »ich möchte Ihnen ja gern glauben, dass Sie den Streit nicht angefangen haben, aber Sie wissen ja, es gehören immer zwei dazu –«

»Ja, ja, ich weiß. Ich werde mich bessern. Ich schwöre es. Geben Sie mir nur noch eine Chance, Super.« Er schwitzt gewaltig, nimmt die Hände von den Augen, damit ich den traurigen Ausdruck darin sehen kann. Er vermeidet jeden Blickkontakt mit Hutch, weil er glaubt, mit mir leichteres Spiel zu haben.

Wie so viele Insassen denkt Simmons, dass ich, weil ich mehr Mitgefühl und Verständnis zeigen kann als die meisten männlichen Mitarbeiter, nachsichtiger mit ihm umgehen werde.

Da täuscht er sich.



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